Was wäre gewesen, wenn der Erste Weltkrieg verhindert worden wäre? Kontrafaktische Konjunktive drängen sich der Geschichtswissenschaft auf — und der Literatur. Einen Schritt weiter ist Herbert Kapfer gegangen. Zunächst zeitlich: Im Buch 1919 ist der Krieg vorbei; nach dem Kaisersturz markiert das Jahr in Deutschland die Revolution. Was hätte hier anders laufen können? Das zeigt Kapfer, indem er Hunderte von zeitgenössischen Textsplittern neu arrangiert. In Romanfetzen, Aufsätzen und Schriften treffen längst vergessene Romanciers auf die Schriftsteller der Münchner Räterepublik, begegnen Revolutionsfeinde und Reaktionäre Anarchisten oder Dadaisten. Und: Die Quellen sind echt — alles stimmt, obwohl der Autor von 1919 nichts selbst geschrieben hat. Kapfer, als langjähriger Hörspielchef des BR das Sampling gewohnt, ist Benjamins Passagen-Idee gefolgt: »Methode dieser Arbeit: literarische Montage. Ich habe nichts zu sagen. Nur zu zeigen«. Was das ist, fragt der zweite Radiomann des Abends, der ehemalige NDR-Literaturredakteur Stephan Lohr.
Literaturhochhaus