Der Autor Clemens Meyer ließe sich noch immer grandios missverstehen. Er kennt diesen Irrtum seit seinem Debüt Als wir träumten von 2006, auch wenn er sich längst davon frei geschrieben hat. Nein, hier sammelt nicht bloß ein Ost-Autor Notizen von den Rändern der Gesellschaft, ganz in biografischer Übereinkunft mit seinen Figuren. Zwar kreist auch Meyers neuer Erzählband Die stillen Trabanten um eine vermutete gesellschaftliche Mitte, indem hier die Außenbezirke fokussiert werden, und wieder finden sich Menschen, denen das Leben diverse Schäden beigebracht hat: Lokführer, Imbissbudenbesitzer, Wachmänner oder Frauen des modernen Dienstleistungsproletariats. Aber so wie zum Beispiel diese Frauen zynischer Achtlosigkeit ihre Behutsamkeit und Würde entgegenstellen, so begegnet Clemens Meyer in Die stillen Trabanten jedem Sozialkitschverdacht mit seiner Kunst. Meyer ist eine Textmaschine, die alles aufsaugt und als große Literatur wieder auswirft: Bücher von Jörg Fauser oder Hubert Fichte genauso wie von Proust oder Céline; Filme von Visconti oder Takeshi ebenso wie die Drehbuchvorlage von Rambo. Wie das geht, fragt Salon-Moderator Jens Meyer-Kovac.
Literaturhochhaus