Hinterher waren vorher alle schlauer: Diese Blase musste ja platzen! Tja, hätte man wirklich gewusst, was die Zukunft bringt, wäre durch die letzten Börsen-Crashs kaum so viel Kapital vernichtet worden. Trotzdem behauptet die Finanzwirtschaft noch immer, gerade sie bilde ein perfektes, idealtypisches Marktgeschehen ab. Systemversagen gilt als Ausnahme von der Regel, die lautet: Der Kapitalismus funktioniert – und wenn nicht, dann geschieht das höchstens durch irrationalen Überschwang, maßlose Gier oder mangelnde Expertise der Marktteilnehmer. In seinem herausragenden Essay Das Gespenst des Kapitals von 2010 hat der Kulturwissenschaftler Joseph Vogl irrationale und zufällige Prozesse als durchaus reguläre Abläufe im Getriebe kapitalistischer Ökonomien identifiziert. Dort versichert man sich – mittels einer quasi-religiösen »Dreifaltigkeit moderner liberaler Ökonomie« (Vogl) – stets aufs Neue der Ausgewogenheit, Vorhersehbarkeit und Gerechtigkeit eines Systems, das nichts davon einlösen kann. Eben weil es gezwungen ist, Geschäfte mit der Zukunft zu machen. Was nun? fragt Jens Meyer-Kovac.
Kultur:Wissenschaft