Wann etwas begonnen hat im Leben, das lässt sich erst in der Rückschau erkennen, wenn überhaupt. Diese Lektion hat Erik gelernt, als er seine schwedische Ostseeinsel verlässt und damit Inez, seine Liebe. Der Auftakt von Antje Rávic Strubels Roman Sturz der Tage in die Nacht ist zugleich Anleitung für den Leser: Mittels erzählerischer Leerstellen, durch rausch- und fiebertraumhafte Episoden und stete Wechsel der Zeitebenen enthüllt Strubel nach und nach die Möglichkeit einer unerhörten Liebe. Die Biografien der Beteiligten scheinen unheilvoll ineinander verkeilt, aber ihre schicksalhafte Begegnung lässt sich nicht nur so erzählen, sondern auch als deren Gegenteil – als planvolle Intrige mit Wurzeln in der deutschen Wendezeit, als Manipulation von Menschen und ihren Erinnerungen, aus denen sie ihr Selbst zu rekonstruieren suchen. Spätestens seit ihren Romanen Tupulew 134 und Kältere Schichten der Luft gehört die 1974 geborene Antje Rávic Strubel zu den besten Erzählerinnen ihrer Generation; mit Jens Meyer-Kovac spricht sie über den Zauber des Anfangs im Roman und im Leben.