Sie kriechen ihm zu, all diese Geschichten. Der namenlose Erzähler arbeitet als »Dolmetsch« für die Schweizer Einwanderungsbehörde. Er übersetzt die Fragen von »Petrus« und die Antworten der osteuropäischen »Gesuchsteller«, die auf Einlass ins »Paradies« hoffen. Bestürzende Geschichten bringen sie vor: von Vergewaltigung, Mord, politischer Verfolgung, Antisemitismus und Krieg – manche wahr, manche erfunden, wer weiß? Im Kopf des Dolmetsch entwickeln sie ein Eigenleben, vermischen und multiplizieren sich zu einem Panoptikum epischen Leidens. In polyphoner Erzählweise verwebt Michail Schischkin biografische, historische und fiktionale Erzählstränge, Alltag und Mythos. In Russland ein gefeierter, mit Bulgakov und Nabokov verglichener Autor, war der seit 1995 in Zürich lebende Schischkin im deutschen Sprachraum bisher so namenlos wie sein »Dolmetsch«. Das wird sich nun im Gefolge der ersten und kongenialen Übersetzung durch Andreas Tretner ändern. Er und der Autor lassen im Salon Wortranken wachsen.
Gefördert von PRO HELVETIA – Schweizer Kulturstiftung
Atlas der Literaturen