Invasion der Rollkoffer: Abgeordnete, Beamte, Kommissare, Lobby-isten, Assistenten, Praktikanten – rund fünfzigtausend Politpendler stricken in Brüssel die Regeln für fünfhundert Millionen Europäer. Zwei Drittel unserer nationalen Gesetze stammen aus ihrer Feder, wobei die Autoren freilich gesichtslos bleiben. Brüssel – das legislative Mahlwerk, die Standardisierungsmaschine, der hegemoniale Moloch? So lauten die Stereotypen der ewig Politikverdrossenen. Wenn man aber ganz nah rangeht, was entdeckt man dann für einen ›Look and Feel‹? Als Couch-Surfer durchstreifte Martin Leidenfrost ein Jahr lang die europäische Hauptstadt. Er sondiert nicht nur das Milieu der professionellen Eurokraten, sondern trifft auch die Finnen in der Sauna, die afrikanischen Kieznachbarn, den albanischen Drogendealer und die bunte Truppe der Brüsseler Schaufensterhuren. Scheinbar mühelos, mit der schwebenden Aufmerksamkeit des Flaneurs, gelingen ihm zauberhafte sozio- und ethnografische Portraits. Das Abstraktum Brüssel füllt sich mit Menschen und mit Leben. Und nun? fragt Eckhard Stasch.
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